Zeppelin Uni-Gruppe: Eine Diskursplattform verkümmert

Die Facebook-Diskussionen nehmen ab.

Vergangene Woche war es wieder soweit: Ein Vortrag mit anschließender Diskussion von Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Partei „Die Linken“ im Thüringer Landtag, wurde in der „Zeppelin Uni“-Gruppe auf Facebook angekündigt. Es dauerte nicht lange, da hatte sich eine Diskussion in den Kommentaren entwickelt, bei der ein „Unterlass doch einmal dein widerliches Trollen!“ lediglich den Anfang markierte. Es ging inhaltlich soweit, dass sogar Literaturtipps ausgetauscht wurden, die die eigene Argumentation untermauern sollten. Das virtuelle Popcorn war schnell herbeigeholt, während sich Studierende und Alumni (!) unterschiedlicher politischer Meinungen bekriegten. Sogar Joachim Landkammer und Maren Lehmann, die die Veranstaltung organisiert hatten, schalteten sich ein. Dass sich Dozenten auf das Niveau von Facebook-Diskussionen begeben – eine Seltenheit. Die Sache nahm ein Ausmaß an, das jemand treffend als „eher peinlich als legendär“ beschrieb.

Ich finde: Die Diskussion war wunderbar. Denn so abstrus die darin dargelegten Meinungen auch teilweise waren, ein Wortgefecht dieses Ausmaßes war lange überfällig gewesen. Die Kommunikationsform der Facebook-Kommentare ist auf dem Rückzug. Und den Eindruck habe nicht nur ich. Wie oft finden sich in letzter Zeit überhaupt mehr als eine Handvoll Kommentare unter einem Post? Wie oft wird es überhaupt noch so spannend, wie im eingangs erwähnten Fall?

Legendäre Diskussionen

Das Dokument „#myzu: legendäre Facebook-Diskussionen“ sammelt die unterhaltsamsten und ausuferndsten Fälle. Vom Schildkrötengate (lustig machen über EBSler) über missglücktes Unimarketing bis hin zu Diskussionen über Rassismus und Feminismus (zwei Themen, die immer polarisieren) – es kann lustig sein, es kann aber auch bitterernst und sogar unangenehm werden. Das diesjährige Spring Semester sorgte für keine einzige Diskussion, die es der von John-Lloyd Holler betreuten Schwarmintelligenz würdig war, in das Dokument aufgenommen zu werden. Es mag durchaus sein, dass es weniger interessanten Gesprächsstoff gibt. Der Rückgang an genereller Aktivität in der Gruppe liegt aber vermutlich nicht nur an Uni-internen Dynamiken. Facebook wird zunehmend weniger genutzt, vor allem in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen; genau die Kohorte, aus der Nachwuchsstudierende kommen. Sie nutzen lieber Instagram, WhatsApp oder Snapchat.

An sich ja keine schlechte Sache, wenn Facebook zumindest in dieser Hinsicht etwas an Bedeutung verliert. Wie der letzte Hack im Oktober erneut zeigte, ist Privatsphäre bekanntlich nicht Facebooks Lieblingsthema.  Wer sich der „Datenkrake Facebook“ entziehen wollte, brauchte an dieser Uni lange Zeit gute Freund*innen, die einen auf dem Laufenden hielten. Sowohl was Kursinhalte, als auch Partys und Privates anging. An der Vormachtstellung der Plattform könnte sich einiges ändern, wenn die Nutzungstrends weiter in diese Richtung gehen.

An der Diskussionskultur unserer Universität allerdings auch.

Raum für Konversation

Die „Zeppelin Uni“-Gruppe ist ein Raum, der uns kollektive Konversation ermöglicht. Jede*r kann sich mit jeder*m unterhalten und, anders als auf dem Uni-Campus, nutzen viele diese Möglichkeit. Man kommt in Kontakt mit Charakteren, die nicht Teil des eigenen Bekanntenkreises sind. Den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden Uni-Themen, die online gern mal aufgebauscht werden, aber doch eine Verbindung aufzeigen. Wer die Person hinter dem Profilbild im Real Life ist, lässt sich vielleicht nicht erkennen. Aber das ist im Zweifel egal.

Vor allem Letzteres birgt natürlich auch Gefahren, die die Kommunikationswissenschaften dem Internet schon länger attestieren: Im Kommentarfenster kann der Ton schnell rauer werden, als es von Angesicht zu Angesicht passieren würde.  Wörter bieten großen Spielraum für Interpretationen, auch falsche. Dass soziale Netzwerke Hass und Extremmeinungen fördern können, ist seit der Wahl von Donald Trump und dem Thema Fake News längst im öffentlichen Bewusstsein angekommen.

Aber so viel gegen Facebook sprechen mag: Ich sehe im Moment keine Alternative, die eine Diskussion mit mehr als 1000 potenziellen Teilnehmer*innen ermöglicht. Eine WhatsApp-Gruppe? Spammig. Instagram? Keine Plattform, auf der die Menschen ellenlange Kommentare in die Handytastatur hauen.

Die „Zeppelin Uni“-Gruppe ist, so dumm es dort manchmal zugeht, immer noch ein geschützter (da geschlossener) Online-Raum, in dem nicht nur Diskussionen möglich sind, sondern in dem sie auch tatsächlich geführt werden. Wir sollten dieses Werkzeug für universitätsinternen Diskurs nicht verkümmern lassen.

 

Nachtrag: Paulina hat dazu eine Replik verfasst. Lest sie hier