Depression – oder was es bedeutet sein eigener Held zu sein

Hongkong, New York, Berlin – ZUler sind momentan wieder in aller Welt unterwegs. Dass das eigene Studentenleben jedoch auch ganz anders verlaufen kann als geplant, thematisiert die Zusendung eines Kommilitonen (CME). Aufgrund der Intimität des Themas möchte der Autor anonym bleiben.

Die Zeppelin Uni ist ein bunter Topf: wir sind Social Justice Warrior, Naturschützer, Nachwuchspolitiker, Trolle, Künstler, Unternehmer, die Zukunft des Landes und Vertreter einer neuen digitalen Dauerimpulskultur, während wir wie Hippies durch den Regen tanzen und die Kornblumen zum Blühen bringen. Menschen, die Brücken bauen oder es versuchen wollen. Viele von uns wollen Helden sein, einige sind es vielleicht schon.

Wir alle haben das Potenzial Helden zu sein.

Ein Held ist für mich jemand, der Licht in die Welt bringt, egal ob kleine Gesten oder disruptive Veränderung. Ich wollte immer einer dieser Helden sein. Ein Mensch, der andere zum lächeln bringt, mit kleinen Wundern von Schulterklopfen bis hin zu Kostproben meines Handwerks. Mein Wunsch war es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem ich anderen zeige, wie sie Ihre Träume verwirklichen können. Das Glück in den Augen anderer war mir immer Lohn genug, dieses Funkeln. Jeder von euch hat das schonmal erlebt, da bin ich mir sicher. Im Laufe der Jahre habe ich dabei verlernt auf mich selbst zu achten, was letztlich auch der Auslöser für meinen heutigen Zustand ist.

Uni, Arbeit, Initiativen, Andere – was mich einst glücklich gemacht hat, ist heute mein Ruin. Depression – wie jede starke Veränderung profitiert vom Momentum Effekt. Zuerst vernachlässigt man nur ein, zwei Kleinigkeiten. Überspringt mal das Essen, versetzt einen Kumpel im Zapfi, schenkt sich das eine Paper von Moldaschl zu lesen. Wenn man es bemerkt, ist es in der Regel zu spät – wie die Mercedes G-Klasse eines EBSlers rollt sie über mich drüber. Lächeln wird zur Herausforderung und ein Paper zu lesen kann schonmal einen ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen. Ein Essay, das man früher in 24 Stunden fertig hatte, dauert gut und gerne eine Woche. Das Leben wird zum Albtraum mit Seeblick und Sonnenschein.

Alleine in der Mittagsdunkelheit brauche ich einen Helden, der mir die Hand reicht. Einen Helden, der abends die Dämonen vertreibt, die mich wachhalten. Jemanden, der mir hilft die Hülle aus Haut wieder mit einem Menschen zu füllen. Mir ein elektrisches Gefühl gibt, damit ich wieder merk’, das ich am Leben bin.

Seit neun Wochen kämpfe ich schon aktiv gegen die Depression, versuche Gewohnheiten zu etablieren, wie jeden Tag ein echtes Gespräch zu führen und den anderen in die Augen zu schauen. Ich versuche jeden Tag mit einem positiven Gedanken einzuschlafen … aber ich habe auch jeden Tag Zweifel, Angst. Sie ist zum Begleiter geworden, jeden Tag seit über drei Monaten steht sie an meiner Seite und hat mich im Kreuzverhör: Was ist, wenn es nichts bringt? Was ist, wenn du versagst? Das Loch hat keinen Boden, stell dir vor du rutscht jetzt ab! Schon wieder nicht geschafft zu meditieren, Versager! Auch, wenn ich daran glaube das Schwungrad zu drehen und Momentum Richtung Glück aufzubauen, bremsen einen diese Zweifel aus. Die Zweifel werden mich nicht allein lassen – doch heute habe ich erkannt welcher Held an meiner Seite läuft, wenn ich es zulasse.

Ich.

Es wird kein Ritter in goldener Rüstung erscheinen und mich retten, niemand kann mir die Hand reichen, weil niemand sieht, dass ich gestürzt bin. Nur ich selbst weiß, wie ich mich wirklich fühle. Damit bin ich auch der einzige, der den Weg nach Hause kennt, der einzige, auf den ich hören muss. Heute habe ich gelernt mir zuzuhören. Das macht den Weg nicht einfacher, aber ich erspare mir Irrwege. An der ZU ist es selbstverständlich sich selbst an erste Stelle zu setzen. In meiner Erfahrung macht das mancher CMEler vielleicht auch etwas zu intensiv – aber im Grunde habt Ihr recht. Nur wenn ich stark bin, kann ich anderen die Hand reichen.

Seit heute bin ich mein eigener Held. Ein Held, der mir die Hand reicht und mich zum lächeln bringt, durch die kleinen Gesten: mich Rasieren, 5 km Joggen oder diese Erkenntnis mit euch teilen. Das Leben ist wie eine Hühnerstange: kurz und beschissen, also: Hört auf euer Herz und lasst euer Glück ZU!