Was die Weltumsegler in diesen Hafen mitbringen.

Musik, die wir mitnehmen.

Musik ist eine Botschaft. Ein Gefühl. Eine Erinnerung. Etwas, das wir – egal, wo wir sind – mit uns nehmen können, was uns für ein paar Minuten wieder am anderen Ende der Welt sein lassen kann. Dort, wo wir noch vor ein paar Monaten mit dem alten, zusammengeschraubten Bus durch die sonnenheißen Straßen Australiens gefahren sind. Dort in Mexiko, wo wir zusammen getanzt haben. Dort in Frankreich in der kleinen Frühstücksbar. Dort überall können wir sein.

Musik kann auch Revolution sein. Woodstock ist aus der 68er-Bewegung nicht wegzudenken. Und wie hätten die Unterdrückten auf den Feldern oder in den Gefängnissen der Südstaaten sich wenigstens ein winziges Stück Freiheit bewahren und uns von ihrer Geschichte erzählen können ohne den Blues? Die Lyrik ist versteckt in Kunst oder betont durch Kunst und macht die Worte der Songwriter zu Symbolen und Kraft, derer, die etwas bewegen möchten.

Diese Serie soll zeigen, welche Vielfalt an Geschichten und Kulturen durch die verschiedensten Einwohner Friedrichshafens – darunter ZU-Studenten – durch die Musik, die sie mitbringen, in diesen Hafen gelangt sind. Es erzählt damit über die Menschen und weit darüber hinaus.

Der erste Song ist „I wonder“ (Rodriguez), den ich – zusammen mit seiner Geschichte – selber mitgebracht habe.

I wonder how many times you’ve been had
And I wonder how many plans have gone bad
I wonder how many times you had sex
I wonder do you know who’ll be next
I wonder I wonder, wonder I do

I wonder about the love you can’t find
And I wonder about the loneliness that’s mine
I wonder how much going have you got
And I wonder about your friends that are not
I wonder I wonder, I wonder I do

I wonder about the tears in children’s eyes
And I wonder about the soldier that dies
I wonder will this hatred ever end
I wonder and worry my friend
I wonder I wonder wonder don’t you?

I wonder how many times you been had
And I wonder how many dreams have gone bad
I wonder how many times you’ve had sex
And I wonder do you care who’ll be next
I wonder I wonder, wonder I do

Rodriguez – I wonder

Cape Town, South Africa, 70er Jahre. Jede Revolution braucht eine Hymne, heißt es. Als in den 70er Jahren tausende Menschen auf die Straßen gingen im ersten Aufleben der Apartheidsbewegung, hatten diese Menschen einen Helden in ihren Köpfen, jemanden, der ihnen Worte, eine Stimme, eine Stimmung, gegeben hatte: Rodriguez.
Er war eine Legende dort, berühmter als Elvis Presley. In den Plattenläden fand man seine unzähligen Platten neben denen der Beatles. Im Kampf gegen das Establishment stand er für Freiheit und blieb gleichzeitig immer das Symbol des Suchenden.

Und er war ein Rätsel. Man wusste nichts über ihn. Seine Lieder waren das einzige, was man von ihm kannte, daneben gab es zahlreiche Gerüchte um seinen Tod. Ob er sich auf der Bühne angezündet hatte oder doch an Drogen gestorben war, wusste niemand wirklich. Und dieses Rätsel um den Tod Rodriguez´ war der Auslöser dafür, dass sich der südafrikanische Journalist Stephen Segermann auf die Suche machte, Licht in das Rätsel der Legende zu bringen.

Unter anderem durch die genaue Untersuchung der Songtexe fanden Segermann und seine Kollegen immer wieder versteckte Hinweise, die sie, begleitet durch den Dokumentarregisseur Malik Bendjeloul, nach Detroit in die USA führte. An den Ort, wo sie etwas Unglaubliches entdeckten: Rodriguez selbst! Er lebte!

In ärmlichen Verhältnissen und jeden Tag körperlicher arbeitend, hatte er dort seine Töchter großgezogen. Rodriguez wusste nichts von seinem Erfolg! Er wusste nicht, dass er in Südafrika eine Legende war, dass Menschen seine Worte sangen, während sie ihre Welt zu verändern versuchten. In den USA schien eine andere Welt zu sein. Eine, in der er 6 Platten verkauft und jeden Tag seines Lebens geschuftet hatte.

Wie diese Überraschung Südafrika und die jungen Menschen dort, für die die Worte Rodriguez’ zum Protestsymbol geworden waren, und ihn selbst überwältigt haben, zeigt der mit einem Oskar ausgezeichnete Dokumentarfilm „Surching for sugarman“ eindrucksvoll. Bilder davon, wie Rodriguez am Flughafen begrüßt wird von Menschenmassen, die Tattoos von ihm haben und davon, wie in riesigen Konzerthallen „I wonder“ mitgesungen wird, der Song, den er sein Leben lang alleine gesungen hat, vergisst man nicht.

Der Song „I wonder“ erzählt von den Träumen und der Revolution derer, die in der Apartheitsbewegung auf die Straße gegangen sind wie auch die Geschichte eines einzelnen, sein Leben lang erfolglosen Künstlers, der an einem anderen Ort in anderer Kultur den Menschen eine Melodie gegeben hat, die sie ihr Leben lang begleiteten sollte.

Für mich ist er die Suche nach der Freiheit, das nah und fern sein in einem, das verloren und gleichzeitig glücklich sein. Das Gefühl, was ich hatte, als ich Anfang des Jahres durch Mexiko gereist bin, während in seine Musik gehört habe.