Spotlight: Freude der Liebe – die Hilfe der Sakramente

© Thomas Plaßmann, auf: https://www.facebook.com/260698594050583/photos/a.263725100414599.61718.260698594050583/939225292864573/?type=3&fref=nf

Zwei Jahre lang berieten die Bischöfe der Welt in der „Familiensynode“ über die Ehe, Sexualität und Liebe in der katholischen Kirche. Den Schlusspunkt setzte kürzlich der Papst mit seiner Abschlussbericht Amoris laetitia. Gerade aufgrund des Medienechos, das dem Anspruch des Schreibens selten gerecht wird, ist diese brisante Schrift eine kurze Untersuchung und vor allem eine eigene Einordnung wert. Tim Miller hat sich dem angenommen.

 

Zuerst einmal gilt es in dieser modernen und eher antikirchlich gestimmten Zeit den Verlauf dieses synodischen Prozesses zu würdigen. Gerade heute, wo Schnelllebigkeit und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt besonders wichtig erscheinen, ist der Werdegang der päpstlichen Botschaft ein besonderer, wenn auch in katholischen Kreisen kein ungewöhnlicher. Vor beinahe zwei Jahren wurde das Schreiben mit einer Rede Kardinal Walter Kasper eingeleitet, der bis zu seiner Pensionierung Präsident des Rates zur Förderung der Einheit der Christen war. Umgangssprachlich wird er oft als „Ökumene-Minister“ des Vatikans bezeichnet. Dort führte er aus, warum aus seiner Sicht ein neuer Umgang mit Geschiedenen-Wiederverheirateten nötig sei und rückte diese gewissermaßen in die Mitte der Agenda des kirchlichen Apparates. Nach einer Vorsynode im Oktober 2014 wurde bereits wild spekuliert und die Synode – also das Zusammentreffen von Bischöfen aus aller Welt – meist auf die scheinbar dringendste Frage, nämlich der um die Teilnahme an der Kommunion für Geschiedene-Wiederverheiratete, reduziert. Nachdem im Oktober vergangenen Jahres auch die außerordentliche Bischofssynode ihren Abschluss fand, in der viele Arbeitsgruppen – natürlich nach Muttersprache – gebildet wurden, legte der Papst nun fast ein halbes Jahr später seinen Abschlussbericht Amoris laetita der Öffentlichkeit vor und begann den Bericht mit einem wichtigen Ratschlag: „Darum empfehle ich nicht, es hastig ganz durchzulesen.“

Nun breche ich mit dem Wunsch von Papst Franziskus, da auch ich einen Zeitplan einzuhalten hatte, und will anhand einiger exemplarischer Aussagen des Textes die Eckpunkte des päpstlichen Schreibens aufzeigen. So steht dort zum Beispiel geschrieben:

„Die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, zum Beispiel, können sich in sehr unterschiedlichen Situationen befinden, die nicht katalogisiert oder in allzu starre Aussagen eingeschlossen werden dürfen, ohne einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung Raum zu geben.“ Diese Aussage ist für die katholische Kirche bereits ein großer Schritt, den ich mir persönlich bereits seit mehreren Jahren gewünscht hatte. Sie beinhaltet die bloße Anerkennung durch die kirchliche Institution, dass die Situationen der Menschen – seien diese geschieden oder nicht – viel zu vielfältig sind, als dass sie durch die gesamte Morallehre der Kirche abgedeckt werden könnten. Der Papst schreibt folglich genau richtig, dass es keine „Patentrezepte“ gibt. Diese Anerkennung greift in keinerlei katholische Gesetze, Moralverpflichtungen oder Sittlichkeitsnormen ein. Dennoch ist es auch eine kleine Sensation, wenn der Papst über die Kirche sagt, sie sei berufen, „die Gewissen zu bilden, nicht aber sie zu ersetzen.“

Nicht weniger als 27 Mal wird das Wort Gewissen in diesem Text erwähnt und erhält demnach einen größeren Stellenwert, als es bisher der Fall war. In kirchlichen Kreisen ist es unerwartet progressiv, dem Gewissen im katholischen Milieu eine verstärkte Stellung zuzuschreiben, auch wenn das individuelle Gewissen im christlichen Glauben eine für Religionen an sich unüblich herausragende Stellung innehat – und dies schon seit mehreren Jahrhunderten.

 Es wird also auf die Gewissensfreiheit des Einzelnen verwiesen, anstatt eine Vorschrift in den Vordergrund zu stellen. Für viele ein untypisches Signal.

Jedoch wäre Papst Franziskus nicht Papst Franziskus, wenn er nicht doch eine eher vage Aussage treffen würde. Dies unterscheidet ihn fundamental von Benedikt XVI., der zwar oftmals Dinge vertrat, die vielen in Europa nicht in das säkulare Bild der modernen Kirche passten, dogmatisch sowie theologisch jedoch immer mehr als sauber und genau definiert wurden. Nach Benedikts Ausführungen stand immer fest, was katholisch erlaubt ist und was eben nicht.

Ambivalent könnte man die Schlussfolgerungen des amtierenden Papstes hier wohl nennen, da er oft auf die bereits erwähnten Einzelsituationen eingeht, denen er einen hohen Stellenwert beimisst, aber andererseits auch lange Ausführungen widergibt, in denen Jesus Christus das Leben eines Gläubigen standardisiert.

Bemerkenswert im Zusammenhang mit dem Schriftstück Amoris laetitia ist auch das Medienecho der Weltpresse, welches normalerweise einem Sturm gleicht, der den Vatikan und mit ihm den Papst zum Einsturz bringen will. Im Pontifikat von Benedikt XVI. war jede Aussage des Papstes eine Krise wert. Alle Ausführungen über die katholische Sicht waren ein Skandal und die gesamte Kirche wurde mitunter als rückwärtsgewandt betrachtet. Denkt man hierbei nur an seine Äußerung zu Kondomen: Auch Franziskus unterstreicht sie, wird dafür jedoch nicht einmal ansatzweise so heftig kritisiert wie Benedikt. Stattdessen ist die Berichterstattung im Vergleich zu früher fast farblos.

Interessanterweise hat Papst Franziskus in seinen 3 Jahren als Oberhaupt der katholischen Kirche keine einzige lehrverändernde Maßnahme getroffen, sondern lediglich den Verwaltungsapparat der Kirche, und insbesondere die Kurie, reformiert. In der öffentlichen Wahrnehmung macht der Ton eben doch die Musik. Beispielhaft kann hierfür die positive Referenz des katholischen Frauenbundes genommen werden, der schreibt: „Er spricht […] über Familien mit behinderten Menschen, über Probleme der Arbeitswelt, über Krisen, über Gewalt in Beziehungen, auch über alleinerziehende Eltern und Sexualität. Und das in einer Sprache, wie man sie so bisher vielleicht nicht in päpstlichen Schreiben gefunden hat.”

Wie wenig aber säkulare Medien die Linie des Papstes und der katholischen Kirche verstehen, zeigt sich in einem Artikel aus der ZEIT, wo es heißt: „Dennoch hält auch Franziskus an einigen konservativen Fixpunkten fest, er verurteilt weiterhin pauschal Abtreibung, die Gender-Theorie oder die Homo-Ehe. Seinen fragwürdigen Status als Ikone der säkularisierten Gesellschaft wird dies weiter demontieren.“ Dass der Papst keine lehrverändernden Schritte einleiten, und somit ein komplett gegenteiliges Bild seines Pontifikats des vorherigen Papstes Benedikt XVI. vertreten wird, war Kennern der vatikanischen Politik bereits nach wenigen Monaten klar – vielen Gläubigen sowie den Medien jedoch noch lange nicht. Franziskus ist ebenso katholisch wie Benedikt und die Veränderung der administrativen Politik im Vatikan hat nur bedingt etwas mit der Lehre der Kirche zu tun. Vielleicht wird Franziskus in vielen Jahren als der Begründer eines neuen kirchlichen Zeitalters gelten, aufgrund verschiedener Alternativen, die er innerhalb der Kirche anbietet. Die Lehre an sich wird aber auch dieser Papst nicht grundlegend verändern. Dies sollte auch bei einer gründlichen Recherche der Medien herauszufinden sein.

 

Um den Bogen vom Pontifikat Franziskus‘ wieder zurück zu seiner veröffentlichten Schrift zu schlagen, ein Ausblick auf die offenbar zentralste Frage der deutschen Medien: Dürfen geschiedene-wiederverheiratete Paare nun die Kommunion empfangen? Die Antwort, die ich aus meiner persönlichen Lesart gewonnen habe, ist typisch franziskanisch und lautet: Jein! Franziskus schreibt dazu: „Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt.”

Konkret gesprochen spricht sich der Papst hierbei für die Fälle aus, die objektiv und laut Lehre der Kirche in schwerer Sünde leben, indem diese eine neue Zivilehe eingegangen sind und dort durch sexuelle Aktivitäten die Ehe gebrochen haben. Jedoch ist anzumerken, dass das Eingehen einer neuen zivilen Ehe noch keine Exkommunikation im katholischen Sinne herbeiruft. Der Ehebruch erfolgt primär durch den außerehelichen Geschlechtsverkehr. Dennoch trifft, wie der Papst richtig sagt, oftmals Personen keine Schuld, da das Verlassen eines Partners möglicherweise unausweichlich ist, besonders wenn es um die eigene Sicherheit oder die der gemeinsamen Kinder geht. In diesem Fall lebt man laut katholischer Lehre zwar in einem Stand der objektiven Sünde, subjektiv trifft den Betroffenen aber keine Schuld, da man eventuell auch ohne eigenes Zutun verlassen wurde. Die Lehre mag dem Laien kompliziert erscheinen, doch in der Frage der katholischen Rechte Geschiedener-Wiederverheirateter legt der Papst nun nach, indem er (lediglich in einer Fußnote) schreibt: „In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein.” Das Oberhaupt der katholischen Kirche gesteht es also Einzelfällen zu, die Hilfe der Sakramente in Anspruch zu nehmen und trifft sich selbst wieder, indem er die Beachtung von individuellen Lebenssituationen anerkennt und eine Entscheidung dem zuständigen Seelsorger und Priester überlässt. Aus katholischer Sicht gesehen grenzt dies bereits an eine Sensation. Trotzdem warne ich davor, diese Aussagen überbewerten.

Schließlich hat auch Papst Franziskus, ganz er selbst, vorsichtig gebeten, den Text in seiner Gesamtheit zu lesen.

Rubrik 'Spotlight'

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