PULS II: Seekult 2021 – die musikalischen Highlights

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Der Bühnenvorplatz der Blauen Blume füllt sich an diesem sonnigen Samstagnachmittag, dem 9. Oktober, langsam, aber stetig. Unter den Besucher:innen finden sich viele bekannte Gesichter, vereinzelt gesellen sich immer mehr neugierige Häfler:innen dazu. Auf der Wiese sind Teppiche zum Niedersetzen ausgebreitet, ringsherum Sofas zum Hinfläzen. Die umherfliegenden Schmetterlinge und Libellen lassen die Idylle schon fast kitschig wirken.

Mittendrin, oben auf der Bühne steht Künstler Titus Waldner und wippt zwischen einem Keyboard, zwei Gitarren, einem Bass und einer Loopstation hin und her. Zwischendurch nimmt er das Mikrofon in die Hand und singt oder rappt in einem Mix aus deutsch und englisch hinein. Seine Musik passt perfekt zu der eben beschriebenen Nachmittagsstimmung. Sie klingt förmlich nach einem leichten warmen Tag – ein Cocktail aus Jazz, Soul, Funk, R&B und Pop. Immer wiederkehrende Gitarrenklänge, leichtes Geklimper auf dem Keyboard, sanfte Basseinlagen und dazwischen ertönt im ruhigen Sprechgesang seine Stimme. Bei einem Konzert kann man den Künstler buchstäblich bei der Arbeit zusehen. Titus Waldner lässt seine Musik so leicht aussehen, wie sie sich anhört. Dabei ist sie ein anspruchsvolles Handwerk. Während er von einem Instrument zum nächsten wechselt, spielt er Sequenzen in die Loop-Station ein und findet immer die richtige Taste im richtigen Moment, um das Tempo zu wechseln und den Song sanft in eine neue Richtung zu lenken. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Zusammenspiel aus Klängen und Rhythmen. Der Leipziger Musiker hatte 2019 sein Debüt Album «Udvikling». Seitdem folgten eine Reihe an Singles, zuletzt der track «wires crossed», welcher laut Titus von zwei Menschen handelt, «die sich lange nicht gesehen haben und die trotz unangenehmer Situationen es genießen und schätzen zusammen zu sein». 
Während des Auftritts falle ich in eine angenehme Trance und scheine damit nicht alleine zu sein: Die Zuschauer:innen um mich herum wiegen sich im Takt der Bässe mit geschlossenen Augen leicht von links nach rechts.

Titus Waldner lässt seine Musik so leicht aussehen, wie sie sich anhört.

Foto: Adrian Bär


Am frühen Abend spazieren wir in die ein paar Meter entfernte Caserne. Bald trudeln immer mehr Menschen ein, kleine Grüppchen bilden sich, es herrscht ein ruhiges Stimmengewirr, es riecht nach Pizza. Das wird schlagartig unterbrochen, als der erste Act des Abends die Bühne betritt. Die Band «Neue Deutsche Wahrheit» ist genauso progressiv, dramatisch und kitschig wie das Musikgenre, an das ihr Name angelehnt ist. Alles an dem Hamburger Duo schreit nach Exzess und Extravaganz und das in der besten Art und Weise. Jeder Song ist begleitet von einer beeindruckenden Choreografie – dramatische Posen, untermalt von einem Synthie-Sound aus den Achtzigern. Die erste Reihe ist wie gebannt von dem, was da gerade oben auf der Bühne passiert, aber auch in die hinterste Ecke des Platzes schwappt eine Welle an Selbstsicherheit und Bewegungsdrang. Der Refrain des ersten Songs braucht nur wenige Minuten, bis die Masse ihn mitsingen kann und sich zum Tanzen aufgerufen fühlt. 

«Neue Deutsche Wahrheit» ist genauso progressiv, dramatisch und kitschig wie das Musikgenre, an das ihr Name angelehnt ist.

Foto: Adrian Bär



Nach einer kurzen Pause erscheint Künstler «Nand» in einem blauen Kordanzug und mit seiner Trompete in der Hand – unter Grölen und Pfiffen der Zuschauer:innen. Für so manche hier war sein Song «Wohlfühlen» DIE musikalische Begleitung des Sommers und zu seiner neuen Single «Aperol Spritz» wurde eben jener auf den Balkonen Friedrichshafens getrunken. Ungeduldig schauen wir dem aus Würzburg stammenden Künstler dabei zu, wie er sich auf seiner Trompete einspielt. «Nand», eigentlich Ferdinand Kirch, ist mit seinen knapp 170.000 monatlichen Hörer:innen auf Spotify der bekannteste Act an diesem Abend. Mit acht Jahren hat er angefangen sein wohl für ihn prägendstes Musikinstrument, die Trompete, zu spielen, mit 16 Jahren hat er dann angefangen zu producen. Sein Song „Wohlfühlen“ ist 2020 schlagartig zu einem Sommerhit geworden. Nand vereint Synthiepop mit Trompetensolos und deutschen Gesang – seine Musik hat Wiedererkennungswert. Dass sie durchaus auch vielschichtig ist, präsentiert er uns an diesem Abend. Mal wird das Tempo schneller mit elektronischen Dancebeats und wir werden aufgefordert zu tanzen, dann wird es wieder sanfter und melodischer und wir liegen einander fast schon melancholisch in den Armen. „Nand“ lässt uns eintauchen in seine Welt, erzählt uns kurze Anekdoten aus seinem Leben, vom Alleinsein in einer fremden Großstadt und dem Abschiedsschmerz von einer geliebten Person – alles begleitet von einem passenden Sound. 

«Nand» vereint Synthiepop mit Trompetensolos und deutschen Gesang – seine Musik hat Wiedererkennungswert.

Foto: Adrian Bär



Noch beschwingt vom letzten Act begrüßt uns «Luis Ake» bereits zum dritten Mal in Folge auf dem SEEKULT-Festival. Der gebürtige Stuttgarter hat die Studierenden der ZU bei seiner ersten SEEKULT-Performance gepackt und seitdem nicht mehr so richtig losgelassen. Angefangen als Techno Producer und Gitarrist, beschloss er bald darauf, selbst Musik zu machen und veröffentlichte 2019 sein Debütalbum „Bitte lass mich frei“. Seine ersten Tracks waren geprägt von Achtziger Synthie-Pop und Euro Trance, sein neuestes Album „Liebe“ schlägt nun eine ganz neue Richtung ein und nähert sich dem Schlager-Pop an. Der Track „Sommer“, welcher auch auf seinem neuen Album erscheint, ist wie eine Kampfansage an die sinkenden Temperaturen. Als er ihn an diesem Abend anstimmt, sind wir alle davon überzeugt, dass der Winter dieses Jahr ausfällt. Für einen Moment scheinen alle ihre Schals und Jacken zu vergessen, die Stimmung ist aufgeheizt und wir sind uns sicher: „dieser Sommer hört nie auf“. Luis Ake gibt dabei wie gewohnt alles auf der Bühne.

Für einen Moment scheinen alle ihre Schals und Jacken zu vergessen – die Stimmung ist aufgeheizt.

Foto: Adrian Bär


Zum Abschluss gesellt sich Nand noch einmal zu ihm. Die beiden springen während der Zugabe zusammen in die Menge, von der sie getragen werden, bis sie wieder euphorisch nebeneinander auf der Bühne stehen. Definitiv ein Highlight des Abends, der damit auch nun zu Ende geht.

Die Künstler-Akquise des SEEKULT 2021 hat auch in diesem Jahr nicht enttäuscht. Wir bedanken uns für dieses musikalische Erlebnis.