Kali Uchis rettet sich selbst

Kali Uchis, fotografiert von Felipe Q. Noguiera

Kali Uchis ist ein „lone ranger“. Mit ihrem einzigartigen Mix aus Soul, Funk und Pop hat sie bereits die Aufmerksamkeit von HipHop-Stars wie Snoop Dogg und Tyler The Creator auf sich gezogen. Nun hat sie ihr Debütalbum „Isolation“ vorgelegt – und damit den Soundtrack des Sommers 2018 geliefert.

 

But if you need a hero,

Just take a look in the mirror.

No one’s gonna save you now,

So you better save yourself

 

Die warme, einnehmende Stimme schallt aus den Boxen im Auto, die Sonne blendet und durch das offene Fenster weht eine Brise, die Freiheit und Sommer verspricht. Genau der richtige Moment, um Kali Uchis zu hören und sich nochmal einen kleinen Motivationsschub zu holen. Was gelesen nämlich anmuten mag wie die Zeilen eines pathetischen Mainstream-Rock-Songs, hat auditiv einen ganz anderen Beigeschmack. So wie Kali Uchis den Text von „After The Storm (ft. Tyler The Creator)“ singt – mit perfekt manikürten Nägeln, gelangweilt und verführerisch blickenden Augen zugleich – kommt die #motivationalmessage ganz beiläufig an. Nichts weiter als ein kleines Zurechtrücken der Perspektive auf sich selbst. Durch rosafarbene Brillengläser in Schmetterlingsform gesehen natürlich. Die liegen immer im Handschuhfach, allzeit bereit für gepflegte Pin-Up-Inszenierungen á la Lana Del Rey oder, seit Kurzem, Kali Uchis.

 

 

Seit Kurzem deswegen, weil die US-kolumbianische Sängerin erst vor gut einem Monat, nämlich Anfang April, ihr Debütalbum „Isolation“ veröffentlicht hat. „Isolation“ ist ein Querschnitt durch die Retro-Genres Funk und Soul, aber auch zeitgenössischeren Genres wie Reggeaton (siehe „Nuestro Planeta“), R&B und Pop. Eingängige Melodien, die dennoch sehr smooth und unaufgeregt klingen, zählen zu einer ihrer Stärken. Unaufgeregt ist ein Stichwort des Albums: Der Großteil der Lieder ist von einer wehmütigen Melancholie durchzogen (eine weitere Parallele zu Lana Del Rey), die Uchis mit lockerem Hüftschwung und totaler Entspanntheit vermittelt. Das macht „Isolation“ so wunderbar sommertauglich. Denn dem Sommer wohnt in seiner Endlichkeit immer auch eine Melancholie inne, die es aber nicht wert ist, mehr als oberflächlich reflektiert zu werden. Dafür ist keine Zeit – „Come on let’s go, we’ll think about it tomorrow”, wie sie in “Tomorrow” singt.

 

 

Lange hatte Kali Uchis keine andere Wahl, als so zu denken. Denn für Melancholie hat sie in ihrem Leben bereits allerlei Grund gehabt: Mit 17 schmiss sie ihr Vater von zu Hause raus, eine Zeit lang lebte sie in ihrem Auto, während sie noch zur High School ging. Wie sie erzählt, entstand bereits damals eine Zeile des Songs „Killer“, der auf „Isolation“ das Finale bestreitet. Auch das Motto der zum Einstieg beschriebenen Lyrics dürfte wohl in jener Zeit seinen Ursprung haben. Denn seitdem ist diese Besinnung auf die eigene Stärke immer wieder in Uchis Werk aufgetaucht. Sowohl der Text als auch das sorgfältig stilisierte Video zu „Loner“ betonen, dass es besser ist, alleine zu sein. Auch „Know What I Want“ ist ein Statement für sich und gegen andere. Beide Tracks stammen aus „Por Vida“, ihrer Debüt-EP aus dem Jahr 2015. Damals hatte sie bereits hochkarätige Produzenten wie Tyler The Creator und Diplo an ihrer Seite. Der Rolling Stone wählte sie prompt unter die „20 besten R&B-Alben 2015“. Ein Debüt-Album wurde mit Spannung erwartet.

Doch Uchis ließ sich Zeit, knapp drei Jahre um genau zu sein, was in der schnelllebigen Musikindustrie nicht wenig ist – gerade als Newcomerin. Die großen Vorschusslorbeeren mögen ein Grund für die langwierige Arbeit an „Isolation“ gewesen sein: „Ich fühle mich wie eine Perfektionistin, und ich wurde wirklich hart zu mir selbst.“, hat sie im einem Interview dazu gesagt. Aber schließlich überwand sie die Schwierigkeiten – erneut größtenteils allein: „Niemand kann entscheiden, was man tun soll, welche Maßnahmen man ergreifen soll, um dorthin zu gelangen, wo man hinwill, außer man selbst“. Also: Steuer in die Hand nehmen, Sonnenbrille auf und los.