Geraubte Kunst im Zeppelin Museum?

„ZR ||| am 13.10.1924, Montag-Mittag 12 Uhr vor den Azoren“, Gemälde von Ernst Frommhold, fotographiert von David Wilhelms

Ein integraler Bestandteil jeder Einführungswoche ist ein Besuch des Zeppelin Museums, welches als Eckpfeiler des hiesigen Kulturangebots die Studierenden mehr oder minder interessiert. Als Museum mit der weltweit größten Sammlung zur Luftschifffahrt legt es einen klaren Fokus auf technische Innovationen, sicherlich auch um diverse Stakeholder zufrieden zu stellen. Daneben offeriert das Museum Einblicke in eine der spannendsten Kunstsammlungen Süddeutschlands, die vor allem mit Exponaten des 20 Jahrhunderts aufwarten kann.

In der Ausstellung „Eigentum verpflichtet-Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand“ wird nun die Objektgeschichte der eigenen Kunstwerke inspiziert, das heißt, wie diese ihren Weg in das Museum gefunden haben. Anlass dafür bot der zwanzigste Jahrestag der Washingtoner Erklärung. Diese erklärt in der NS Zeit beschlagnahmte Kunst zur Raubkunst, um mit den Vorkriegseigentümern einer gerechten und fairen Lösung entgegenzuwirken. Zwischen 1933 und 1945 wurden 6 Millionen Juden ermordet, ihre Vermögen beschlagnahmt und gestohlen. Von der menschlichen Tragödie einmal abgesehen, bedeutete der Holocaust eben auch eine illegitime Umwälzung aller Besitzverhältnisse, dessen ethisch gebotene Konsequenzen in den Nachkriegsjahren nur unzureichend behandelt worden sind. Besonders auf dem Kunstmarkt gab es somit keine „Stunde Null“, sodass schätzungsweise eine Millionen geraubte Kunstwerke in europäischen Museen bis heute zirkulieren.

Da das Zeppelin Museum im zweiten Weltkrieg gänzlich zerstört wurde und die renommierte Kunstsammlung erst in der Nachkriegszeit erworben worden ist, liegt der Verdacht nahe, “Kunstblut” an den Wänden kleben zu haben. Dieser wird dadurch erhärtet, dass die mitunter bedeutendsten Kunstwerke von Avantgardisten der Klassischen Moderne stammen, die in der NS Zeit bevorzugt als „entartet“ galten.  Als Reaktion darauf wurde über den Verlauf  von zwei Jahren Nachforschungsarbeit betrieben, die in besagter Ausstellung mündete.

Etwas versteckt liegt die Ausstellung hinter technischen Exponaten, die den größten Trubel um sich erzeugen. Karg muten dabei die Räumlichkeiten an, die weniger gezeigte Kunstwerke inszenieren, als in ausufernder Form die dahinterstehende Geschichte erzählen. 40 Kunstwerke werden exemplarisch gezeigt, welche auf ihre herkunftsbezogene Problematik untersucht werden. Dabei wird neben den Besitzverhältnissen bis zur Aufnahme in das Museum auch die Rückseite des Werkes gezeigt, da hier häufig korrelierende Merkmale zu verordnen sind.

 Das Ergebnis fällt zwiegespalten aus: Letzendlich wird zwar kein Werk als Raubkunst klassifiziert, jedoch konnte bei einem Großteil der Exponate der Weg in den Bestand des Museums nicht lückenlos rekonstruiert werden. Dazu kommt eine selbstkritisch betriebene Auseinandersetzung mit den damals handelnden Personen und ihren sozialen Netzwerke, die ihr Wissen aus der NS Zeit dazu nutzten, den Kunstfundus  des Museums zu vergrößern. Zu nennen ist hier Benno Griebert, welcher dem Museum rund 50 Kunstwerke vermittelte, die Kernbestandteil der heutigen Sammlung sind. Die Herkunftsangaben sind dabei vage bis gänzlich fehlend, was vor Grieberts Vergangenheit als Referent der Reichskammer der Bildenen Künste von 1934 bis 1937 doch etwas dubios wirkt.

Insgesamt ist die Ausstellung mit Sicherheit einen Besuch wert, da sie ein Bewusstsein dafür schafft, dass ein Kunstwerk nicht bloß Selbstzweck an sich ist, sondern als physischer und historischer Gegenstand auch eine Ressource gesellschaftlicher Macht, der sich in seinen Besitzverhältnissen zeigt. Trauriges Beispiel hierfür ist die NS Diktatur, die mit dem Begriff des “Entarteten” regelrechten Kunstfachismus betrieben hat, andererseits den Verkauf der Werke bewusst zur eigenen Bereicherung genutzt hat.  Das Zeppelin Museum war zumindest mittelbar Nutznießer dieser Zäsur im Kunstmarkt, was in erstaunlich selbstkritischen Tönen zugegeben wird.

Wer also neben den “technischen Innovationen der Zukunft” den Blick ebenso auf die weniger glorreiche Vergangenheit Friedrichshafens richten möchte, kann dies noch bis zum 3.2.2019 tun.