Learning to Love Your Selfie

Über die Möglichkeiten und Grenzen der bonbonpinken Welt des Feminismus 4.0

Pastelltöne, Selfies, Glitzer, Körperbehaarung – die Fotografien der Künstlerinnen Petra Collins, Arvida Bystrom und Lula Hyers sind Paradebeispiele einer feministischen Ästhetik, die sich seit einigen Jahren auf Instagram und Tumblr großer Beliebtheit erfreut. Ihre Anhängerinnen sind meist jung, weiß und bewandert im Umgang mit sozialen Netzwerken. Sie spielen bewusst mit Geschlechterklischees und widersetzen sich gängigen Schönheitsidealen. Zum Beispiel, indem sie auf ihren Social Media- Accounts Bilder ihrer teilweise bunt gefärbten Achselhaare posten und Speckröllchen und Dehnungsstreifen nicht verstecken, sondern selbstbewusst zur Schau stellen. Wie auch Petra Collins, deren Fotos häufig Mädchen im privaten Umfeld ihrer Schlaf- und Badezimmer zeigen, tragen sie so die ungeschönte weibliche Intimsphäre an die Öffentlichkeit. Der feministische Ansatz, das Private zum Politischen zu machen, findet seinen Ursprung bereits in der Frauenbewegung der 1970er Jahre. Die damaligen Proteste richteten sich vor allem gegen die alltägliche Reduktion der Frau auf ihre familiären und haushaltlichen Pflichten, gegen die fatalistische Rolle der Frau als Mutter. Durch ihre Kunst führen Collins und ihre Kolleginnen jenes Bestreben nach dem Loslösen von weiblichen Rollenbildern weiter. Sie hinterfragen die Vorstellung der mädchenhaft-sanften Weiblichkeit und der Existenz von Geschlechterrollen an sich, indem sie diese ad absurdum führen. Ihre ironische Herangehensweise stößt in einer Zeit, in der alle popkulturell erfolgreichen Inhalte irgendwie ironisch, cute und awkward zu sein scheinen, auf Erfolg. Ästhetische Praktiken des Cyberfeminismus finden sich mittlerweile überall, ihre Formen reichen von Gifs über #bodypositivity-Selfies bis hin zu Online-Zines. Feminsimus scheint endlich cool geworden zu sein, und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich im vergangenen Jahr sowohl Taylor Swift als auch Kim Kardashian öffentlich als Feministinnen outeten.

Doch wofür genau steht die Bewegung, die von vielen als vierte Welle des Feminismus bezeichnet wird? Selbstliebe ist ein großes Thema. Sich so zu akzeptieren, wie man ist, das allein kann in einer narzisstischen Perfektionsgesellschaft bereits ein rebellischer Akt sein. Jedoch birgt die intensive innere Auseinandersetzung die Gefahr, dass vor lauter Selbstbildoptimierung der Blick über den eigenen Horizont hinaus auf der Strecke bleibt. So hilfreich das Internet als Verbreitungsmedium feministischer Botschaften auch sein mag, sein wahres Potenzial ist erst dann genutzt, wenn es durch seine Vernetzungsmöglichkeiten nicht nur gelingt, einen populäreren, sondern auch einen diskursiveren und globaleren Feminismus zu schaffen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zwar ziert der Spruch „Riots not Diets“ zahlreiche jugendliche tumblr-Blogs und Tank Tops, feministische Aufstände jenseits von Twitter und Facebook sucht man allerdings vergebens. Dabei gäbe es in einer Zeit, in der Multikulturalismus einen neuen Diskurs über die Bedeutung weiblicher Selbstbestimmung nötig macht, in der Frauen in anderen Teilen der Welt massive Menschenrechtsverletzungen erfahren und in denen gerade Frauen unterer Gesellschaftsschichten nach wie vor mit Sexismus zu kämpfen haben, allen Anlass dazu. Mithilfe von Ästhetik und Ironie wird man diese Problematiken nicht lösen können, und trotzdem müssen sie zur Sprache gebracht werden. In einem befriedigenden Ausmaß ist das noch nicht geschehen, was sicherlich unter anderem auch an der Tatsache liegt, dass die meisten im Internet populären Feministinnen weiß sind und aus guten Verhältnissen stammen. Das Internet bietet dem Feminismus neue Praxismöglichkeiten. Solange diese allerdings nur auf die eigene Lebenswelt angewandt werden und die breite Masse vor Problematiken, die sich nicht durch Selfies und bunte Gifs lösen lassen, die Augen verschließt, tritt die Bewegung auf der Stelle.

1 Comment

  • Vic sagt:

    Du bringst es auf den Punkt, danke Donna!
    Trotzdem sollte betont sein, dass all der Cyberfeminismus schon ein guter Schritt in die richtige Richtung ist – ohne wären wir noch ärmer dran. Wollen wir nur hoffen – oder daran arbeiten – dass diese vierte Welle nicht abflacht, sondern mitreißt!

    xx V

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