Anerkennung der Blauen Blume vor der Bürgermeisterwahl

Nach vier Jahren der Diskussion hat der Gemeinderat gestern Abend (13.02.16) dem Umzug der Blauen Blume in den Fallenbrunnen zugestimmt. Wir haben uns mit Gründungsmitglied Jakob Wirth getroffen und ihm ein paar Fragen zu der Blauen Blume, Friedrichshafen, und der Oberbürgermeisterwahl am 12. März gestellt. 

Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl am Barabend

Jakob Wirth wird gemeinsam mit Leonard Burges, studentischer Senator der ZU, am 16.02. um 20:00 im Rahmen des Barabends am Campus Seemoser Horn bei einer Podiumsdiskussion über die Wahl des neuen Oberbürgermeisters in Friedrichshafen am 12. März sprechen. Um 21:00 spielt die Luftschiffkapelle, für Getränke ist gesorgt. Wir freuen uns auf Euch!

Jakob, kannst du dich noch daran erinnern, wie du Friedrichshafen wahrgenommen hast, als du vor über vier Jahren dein Studium anfingst?

Friedrichshafen nannten wir Anfangs  „graue Stadt am Meer“, nach einem Gedicht, an dessen Autor ich mich leider gerade nicht mehr erinnern kann. Ich habe mich auch kaum willkommen geheißen gefühlt, sowohl auf Grund des Stadtbildes als auch des Stadtlebens.

Zusätzlich ist mir dann auch sehr schnell die Trennung zwischen der ‚Blase’ an der ZU und dem städtischen Leben aufgefallen. Obwohl ich wirklich Interesse daran hatte, habe ich nur wenige Möglichkeiten gefunden, mich in die Stadt zu integrieren. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, habe ich dann ziemlich viel Kontakt zu den Menschen hier gesucht.

Ich wollte andere Einflüsse, Gedanken und Ansichten erleben. Ich verspürte einfach den Drang, Menschen anzusprechen. Manchmal auch wildfremde auf der Straße die interessant aussahen – und so haben sich dann auch erste Kontakte ergeben, die für die die Gründung der Blauen Blume entscheidend waren. Die Menschen die ich hier getroffen habe, Künstler, Biobauern und viele mehr, haben mich dann ganz anders in die Stadt eingeführt. So konnte ich erstmals hinter die Fassade der Stadt blicken, die dann doch nicht mehr ganz so grau gewirkt hat.

Bereits nach deinem ersten Semester an der ZU hast du gemeinsam mit Freunden die Blaue Blume gegründet – wie würdest du das Konzept jemandem beschreiben, der noch nie davon gehört hat?

Es war sehr schnell klar, dass wir auf der Suche nach einem Ort sind, der nicht Universität und nicht Stadt ist. Da wir so etwas nicht finden konnten, kam uns die Idee, einen Ort zu schaffen, der einen anderen Charakter hat. Und so ist dann schließlich die Blaue Blume entstanden, ein gemeinnütziger Verein, der an das Wohn- und Kulturprojekt gekoppelt ist. Wir wollten einen Gegenpol zur Stadt bieten, an dem man sich wohl fühlen und sich begegnen kann.

An unserem momentanen Stellplatz wohnen mittlerweile 7 Menschen in selbstgebauten Bauwägen. Es gibt einen Veranstaltungsbereich, der offen für jeden ist und frei genutzt werden kann. Alle Veranstaltungen sind kostenlos und werden aus den Mitteln des Vereins finanziert. Dabei soll die Blaue Blume nicht ein Ort sein, an dem „Hochkultur“ gefördert wird, das gibt es bereits genug in Friedrichshafen. Wir wollen ein bisschen Raum für Subkultur schaffen und eben auch kleine Formate unterstützen, zu denen vielleicht nur fünf Besucher kommen.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt ist natürlich auch der Recht-auf-Stadt Diskurs. Seit beinahe vier Jahren kämpfen wir mit der Stadt darum, einen offiziellen Platz für das Wohn- und Kulturprojekt zu kriegen. Das durchzusetzen, trifft auf sehr viel Widerstand bei der Stadt. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt das Recht haben, diese auch zu gestalten. Hier in Friedrichshafen funktioniert Veränderung bisher aber leider nur sehr top-down und hierarchisch.

Seit vier Jahren versucht ihr also nun, diese offizielle Anerkennung von der Stadtverwaltung zu erhalten. Was motiviert dich denn letztendlich, so viel Zeit und Energie in Friedrichshafen zu investieren?

Ich bin inzwischen sehr verbunden mit Friedrichshafen. Ich fühle mich hier mittlerweile mehr zuhause als in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Das liegt natürlich auch an der Masse an Zeit, die ich damit verbracht habe, mich mit der Stadt und den Menschen hier auseinanderzusetzen. Auch ist die Blaue Blume eine Plattform für mich, politische Themen ansprechen zu können – sei es Stadtentwicklung, Rassismus oder Queer-Feminismus.

Als ich gemerkt habe, dass diese Idee bei der Stadtverwaltung auf Widerstand stößt, hat mich das letztendlich nur noch mehr motiviert.

Wie verstehst du denn dann deine Aufgabe, in Friedrichshafen mitzuwirken? Durch Widerstand?

Ich habe mich natürlich an erster Stelle gefragt, warum dieser Widerstand besteht. Warum treffen wir hier auf Widerstand gegen eine Initiative, die kostenlose Veranstaltungen organisiert und die es in der Stadt bisher noch nicht gibt? Die Motivation für den Widerstand war aber nicht der Widerstand selbst. Vielmehr wollten wir unsere Vision eines Ortes zwischen Universität und Stadt verwirklichen, und die Zustimmung der Stadt ist eben eine der notwendigen Grundvoraussetzungen. Das wiederum hat dann unweigerlich zu einigen Auseinandersetzungen geführt. Dieser Kampf gegen den Widerstand in der Stadt war dabei aber nie unsere primäre Intention, es war lediglich das Mittel zum Zweck. Die vielen Stunden und Tage die wir mit dem Konflikt mit der Stadt verbracht haben, hätte ich viel lieber in das Projekt selbst gesteckt.

Aus einem dieser Netzwerke, „dem Netzwerk für Friedrichshafen“ ist auch einer der beiden Gegenkandidaten gegen Andreas Brand hervorgegangen. Wer ist das denn, und für was setzt er sich ein?

Unser Gegenkandidat zu Brand heißt Philipp Fuhrmann. Er ist 48 Jahre alt, in Friedrichshafen aufgewachsen, hat zunächst acht Semester Medizin und daraufhin Musik studiert. Er war als Musikpädagoge in Weimar und Berlin – wo er schließlich eine Musikschule gegründet hat, die er immer noch leitet. Seit 4 Jahren ist er wieder zurück am Bodensee und möchte der Stadt wieder Leben einhauchen.

Gerade im Punkt der ZU hinterfragt er Beispielsweise die Entscheidung, den neuen Campus in den Fallenbrunnen zu bauen. Wenn der ZF-Campus in die Innenstadt gesetzt worden wäre, hätten wir nun einen viel direkteren und lebendigeren Austausch mit der Stadt und ihren Bürgern. Auch will er mehr sozialen Wohnungsbau fördern und den Nahverkehr stärken, Beispielsweise mit Kurzstreckentickets für einen Euro. Mit ihm als Oberbürgermeister sollen außerdem Förderprogramme für kleinere Initiativen und Projekte auf die Beine gestellt werden. Das 2015 für die Dauer von einem Semester eröffnete Studentencafé „Hertz“ zum Beispiel hätte seiner Meinung nach subventioniert werden sollen, nicht direkt wieder geschlossen.

In aller Kürze kann man sagen, er brennt für ein kulturelles und belebtes Friedrichshafen und setzt sich für Wohnungsbau sowie behutsame Stadtentwicklung ein.

Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit recht gering, dass einer der beiden Gegenkandidaten gegen Brandt gewinnen wird. Welche Auswirkungen hätte es denn für die politische Kultur Friedrichshafens, wenn Brand für die nächsten acht Jahre wiedergewählt wird?

Wahrscheinlich hätte es gar keine spürbaren Auswirkungen, aber gerade das ist ja der Punkt! Brand verwaltet die Stadt sehr gut, man kann ihm wirklich nichts vorwerfen. Das Problem ist aber, dass er auch keine neuen Ideen in die Stadt bringt. Die zentrale Frage dieser Wahl ist deshalb eigentlich ob man will, dass alles so bleibt wie es ist. Mit der Zeppelinstiftung ist die Stadt finanziell extrem gut aufgestellt und hätte, im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen in Deutschland, auch die Mittel, ihre Visionen zu verwirklichen. Anstatt zu überlegen, wie man den Status Quo verwaltet, sollte man viel eher versuchen auch mal neue Impulse zu setzen.

Und das würde Philipp Fuhrmann anders machen? Er hat ziemlich viele Ideen, aber könnte er die denn am Ende auch umsetzen?

Um das ausreichend zu beantworten und stadtpolitisch beurteilen zu können ist leider meine Erfahrung noch zu gering. Ich denke jedoch, dass Initiativen oder Ideenträger wie die Zeppelin Universität, das Studierendencafé Hertz oder auch die Blaue Blume einen ganz anderen Zugang zur Stadt hätten und auf eine ganz andere Offenheit treffen würden.

Unabhängig davon wer gewählt wird habe ich dennoch die Hoffnung, dass die bis jetzt so stark vorherrschende Konsenskultur in der Stadt aufhören könnte. Momentan winkt der Gemeinderat alles einfach nur durch und niemand traut sich so wirklich, von der Linie der Anderen abzuweichen. Dissens ist aber in der Politik sehr wichtig, um eine Ideenvielfalt zuzulassen.

Und unabhängig davon, wer gewählt wird: Angenommen, Du hättest einen Termin mit dem neuen OB nach der Wahl am 12. März. Welche Themen würdest du ansprechen, und was würdest du dir wünschen?

Das ist schwierig zu beantworten, vor allem da ich das jetzige Wahlprogramm Philipp Fuhrmanns mitgestaltet habe und immer noch in dem Netzwerk aktiv bin, das ihn aufgestellt hat. Aus dieser Perspektive kann ich lediglich sagen, dass ich mir wünschen würde, dass das Netzwerk der Initiativen in Friedrichshafen einen stärkeren und direkteren Draht zum Bürgermeister bekommt. Andererseits wäre es mir ein Anliegen, vor allem kulturelle Veranstaltungen und Konzepte neben dem zu fördern, was die Stadt schon bietet. Natürlich würde ich auch gerne die Frage ansprechen, wie man Universität und Stadt noch etwas mehr zusammenführen kann.

Vielen Dank für das Gespräch, Jakob.